News-Ticker

Von Mitbetroffenen und Experten lernen: Der 4. Hautkrebs-Patiententag in Münster

Am 5. April 2019 fand der vierte Hautkrebs-Patiententag für Hautkrebsbetroffene, Angehörige und Interessierte statt. Die jährliche Veranstaltung des HKND gastierte dieses Mal im Nordrhein-Westfälischen Münster und war sehr gut besucht. Das konzentrierte Programm reichte von der Vorbeugung über Diagnose, Therapie und deren Nebenwirkungen bis zu den aktuellsten Erkenntnissen zum Hautkrebs und dem, was Patienten für sich tun können.

Die rund hundert Anwesenden im Gesundheitshaus Münster konnten sich umfassend zu vielen wichtigen Themen rund um den Hautkrebs informieren. Dem Anspruch des HKND, sowohl für erst kürzlich Betroffene als auch für Patienten mit einer langen Krankheitsgeschichte ein interessantes Programm zu bieten, stellten sich die vortragenden Experten mit großem Engagement.  Aber auch die Betroffenen teilten bereitwillig ihre Erfahrungen. So bekamen die Besucher und Besucherinnen einen hervorragenden fachlichen Überblick und unzählige Hinweise und Tipps und konnten auch ganz persönliche Anliegen einbringen.

Von Patienten für Patienten

Vortrag "Patienten im Dialog"

Was macht uns zum mündigen Patienten? Wie können wir voneinander lernen? Das Publikum diskutierte mit den Patientenvertretern darüber.

Was diese Veranstaltung ganz besonders machte, war die Programmgestaltung aus Patientenperspektive und dass alles ehrenamtlich vorbereitet und vom HKND organisiert wurde. Zum Einstieg wurde mit „Patient*innen im Dialog“ ein Forum geschaffen, in welchem sich Betroffene und Angehörige austauschen und Fragen stellen konnten. Anne Wispler und Hans-Walther Bötel (Selbsthilfe Hautkrebs Berlin) leiteten die Gesprächsrunde und forderten das Publikum auf, sich bei den folgenden Fachvorträgen als „Expert*innen in eigener Sache“ einzumischen. Nicht alles einfach hinnehmen, sondern die Informationen hinterfragen, sich selbst einbringen, lautete die Devise! Dabei sollten die Fachleute als Gesprächspartner verstanden werden, denen man auf Augenhöhe begegnet. (Anregungen dazu als PDF: Ich will gut leben – auch mit Krebs).

Wenn ich jemals wertvolle Entdeckungen gemacht habe, war dies mehr auf die Aufmerksamkeit der Patienten als auf jedes andere Talent zurückzuführen.
(Isaac Newton, 1642 – 1727)

Ernährung und Krebs

Nach der anschließenden Begrüßung durch die Vertreterin des Gesundheitshauses Münster, Gudrun Bruns und den HKND-Vorsitzenden Prof. Dr. Eckhard Breitbart ging es im ersten Fachvortrag um Ernährung und Krebs.

Ernährung und Krebs

Ernährungsberater Rainer Bergmann betonte die Bedeutung einer ausgewogenen Ernährung.

Der Ernährungsberater Rainer Bergmann wies darauf hin, wie sich in den vergangenen Jahrzehnten unsere Ernährungsgewohnheiten verändert haben: Die Menschen essen im Verhältnis immer weniger Getreide und Gemüse, dafür mehr tierische und industriell verarbeitete Produkte. Die Veränderung im Nährstoffmix macht es besonders notwendig, bewusst auf die Nährstoffmenge zu achten, den Kalorienbedarf zu kennen und nicht regelmäßig zu überschreiten. Ein Drittel der täglichen Ernährung sollte roh sein, zwei Drittel gekocht oder erhitzt. Vor allem die Versorgung mit unterschiedlichen Vitalstoffen ist wichtig. Bei Tumorerkrankungen ändert sich der Bedarf. Besonders im Krankheitsfall kann eine individuelle Ernährungsberatung nützlich sein. Sie wird bei einer Immuntherapie aufgrund der Nebenwirkungen leichter von den Kostenträgern übernommen. Hilfreich: Von den Krankenkassen und bei Reha-Maßnahmen werden ggf. entsprechende Kurse angeboten.

Hautkrebs-Vermeidung ist das A und O

Zur Prävention von Hautkrebs in den Lebenswelten erläuterte Prof. Dr. Eckhard Breitbart, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention e.V. (ADP) die Gefahren, die von der UV-A-Strahlung (macht faltige Haut) bis zur UV-C-Strahlung (die ohne Ozon-Schicht tödlich wäre) ausgehen. In den ersten 12 Lebensmonaten ist der Eigenschutz der Haut noch nicht vollständig ausgebildet. Babies direkter Sonne auszusetzen, komme Körperverletzung gleich. Zudem erhöhen Sonnenbrände in der Kindheit das Hautkrebsrisiko ganz erheblich. Eindringlich warnte er vor dem Besuch von Sonnenstudios, die sich verharmlosend als Wellness tarnen.

Breitbart betonte, es ginge sowohl darum, Verhalten zu verändern als auch um Verhältnisprävention, d.h. der Änderung der Verhältnisse, also der Gestaltung der Umwelt und der Rahmenbedingungen im Alltag. Akteure in sogenannten Lebenswelten wie Schulen, Kitas oder am Arbeitsplatz, also Erzieher*innen, Lehrer*innen und Arbeitgeber, sollten über den richtigen Umgang mit UV-Strahlung in ihren Einrichtungen informiert und sensibilisiert sein. Auch bei der Gestaltung unserer Städte sollte Sonnenschutz im baulichen Kontext mitbedacht werden.

Der Vortrag als PDF: Vortrag_Hautkrebsprävention_Breitbart

Das wichtige Angebot der Krebsberatung

Gudrun Bruns, Leiterin der Krebsberatung Münster, stellte das wichtige und facettenreiche Angebot der Krebsberatung vor. Ambulante psychosoziale Versorgung wird, nicht zuletzt aufgrund der steigenden Patientenzahlen, immer wichtiger für Betroffene, die Ausweg und Hilfe u. a. bei Überforderung, z. T. existentiellen Ängsten und anderen Sorgen suchen. Probleme im sozialen Umfeld, in Familie und Partnerschaft, berufliche und finanzielle Schwierigkeiten wie ein durch Krebstherapie ggf. erhöhtes Armutsrisiko können dem zugrunde liegen. Die Beratung kann sich auf unterschiedliche praktische Sozialleistungen beziehen, auf Unterstützungsangebote und die Vermittlung praktischer Hilfen. Sie kann jedoch auch darin bestehen, eigene Ressourcen zu aktivieren. Es gibt zahlreiche Orientierungshilfen, in Einzelberatung oder auch in diversen Kursen. Ein relativ neues Angebot ist die Paarberatung, auch bei Fragen z. B. zur Sexualität bei Krebs. Andere Aufgabenbereiche der Krebsberatung umfassen Öffentlichkeitsarbeit, politische Interessensvertretung für eine bessere Versorgung und Qualitätssicherung. (Vortrag als PDF: 2018 KBS_Angebot_ 2019_01)

Die Kraft der gegenseitigen Unterstützung

Der Zulauf zur Veranstaltung war trotz schönem Wetter groß. Einen großen Anteil daran hatte die dem HKND angeschlossene Online-Selbsthilfegruppe „Diagnose Hautkrebs – Du bist nicht allein“. Sie half dabei, Betroffene aus dem ganzen Bundesgebiet zu mobilisieren. Die Stimmung war gut, endlich konnte man sich einmal persönlich begegnen!

Katharina Kaminski und Astrid Doppler vom Verein Melanom Info Deutschland e.V. stellten die virtuelle Selbsthilfe auf Facebook vor. Sie leiten dort das Forum für Hautkrebs-Patienten und deren Angehörige, das als geschlossene Gruppe  nicht von außen einsehbar ist. Rund 1200 Mitglieder tauschen sich hier bei Bedarf zu jeder Tages- und Nachtzeit und von jedem Ort aus untereinander aus. Die beiden selbst Betroffenen sind überzeugt, dass trotz der Anonymität im Netz Empathie und gegenseitige Unterstützung in voller Qualität möglich sind. Die qualifizierte Moderation sorgt für einen achtsamen Umgangston und, besonders wichtig, für auf Fakten basierende Informationen zum Thema Krebstherapie. Mehr Infos als PDF: MID-Kommunikation.pdf

Auch das wichtige Thema Arzt-Patienten-Kommunikation zog sich den ganzen Tag über durch das Programm. Zum Austausch untereinander, zur Unterstützung füreinander, aber auch zur Information und Entscheidungsfindung in der Therapie mit den Medizinern und anderen Fachleuten ist eine verständliche Kommunikation auf Augenhöhe gepaart mit Empathie entscheidend.

Neues vom Hautkrebs und seiner Therapie

In den letzten beiden Fachvorträgen ging es um Therapien des schwarzen Hautkrebses und um die beiden häufigsten Formen des Hellen Hautkrebses. Dr. Carsten Weishaupt, Oberarzt am Hauttumorzentrum Münster teilte seinen Vortrag in die beiden Bereiche Immuntherapien und zielgerichtete Therapien ein. Beide funktionieren ganz anders als die konventionelle Chemotherapie. Er schickte seinen Darlegungen ein Grußwort von Prof. Ralf Gutzmer, dem 1. Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO) voraus, unter deren Schirmherrschaft der Patiententag stand.

In gut verständlichen Bildern wurde die Wirkungsweise der Immuntherapie erklärt, die das Immunsystem bei der Identifizierung von Krebszellen unterstützt. Einige Krebszellen bleiben unerkannt, weil sie die körpereigenen Immunzellen (T-Zellen) täuschen und ihre Abwehr aktiv außer Kraft setzen. Um diese Unterdrückung der Abwehr zu blockieren, wurden Antikörper entwickelt, die dieses Täuschungsmanöver der Krebszellen in bestimmten Fällen verhindern können.

Aus Sicht der Ärzteschaft ist bedenklich, dass eventuell auftretende Nebenwirkungen dem Behandlungsteam oft nicht oder nur verzögert mitgeteilt werden aus Angst vor einem Therapieabbruch. Für die bestmögliche Behandlung müssen sie jedoch unverzüglich mit dem Arzt besprochen werden, betonte Dr. Weishaupt. Eine interdisziplinäre Behandlung ist häufig eine gute Wahl.

Gezielte Therapien richten sich auf ein Blockieren des intrazellulären Signalwegs der Tumorzelle, wodurch die Tumorzelle nicht mehr adäquat auf äußere Veränderungen reagieren kann. Auch Kombinationen verschiedener Therapien sind möglich und müssen von Fall zu Fall austariert und besprochen werden.

Lena Lammers, Dermatologin und Oberärztin an der Fachklinik Hornheide, nahm sich den häufigsten beiden Krebsarten an, die auch als heller Hautkrebs bezeichnet werden: Dem Basalzellkarzinom mit bundesweit rund 143.000 Neuerkrankungen pro Jahr und dem Plattenepithelkarzinom, an welchem in Deutschland etwa 92.000 Menschen jährlich neu erkranken.
Das Basalzellkarzinom (BZK) ist der häufigste Hauttumor. Es wird zu 80% an Kopf und Hals lokalisiert und gilt als semi-malign (halb-bösartig), weil es keine Absiedlungen bildet, jedoch wucherartig wachsen kann. Die Therapie besteht in der Exzision, dem chirurgischen Entfernen des Gewebes oder in der Röntgenweichteiltherapie. Daneben gibt es die photodynamische Therapie (PDT), bestehend aus Sensibilisierung plus Bestrahlung.

Beim Plattenepithelkarzinom (PEK) sind in seltenen Fällen Metastasen möglich. Circa 80% der PEK treten im Kopfbereich auf. Die Ursachen liegen vorrangig in langer und häufiger UV-Bestrahlung. Vorläufer dieser Hautkrebsart ist eine Aktinische Keratose. Als Therapie kommen alternativ Röntgenweichstrahltherapie, Lymph-Ultraschall, CT und MRT in Frage. Im nicht heilbaren palliativen Stadium mit Metastasen werden zytotoxische Chemotherapien angewendet.

Ab einem Alter von 35 Jahren können gesetzlich Versicherte alle zwei Jahre das Hautkrebs-Screening in Anspruch nehmen, um Hautkrebs möglichst früh zu erkennen und so besser behandeln zu können. Die beste Vorbeugung in eigener Sache ist ein effektiver Sonnenschutz von Beginn des Lebens an. Darüber sollte auch während der Früherkennungs-Untersuchung gesprochen werden. (Vortrag als PDF: Vortrag_Hautkrebstag_Lammers)

Der Wunsch, etwas für sich selbst zu tun

Das Gesicht einer Hautkrebserkrankung ist so unterschiedlich wie ihre Ausprägung und die Wirkung auf jeden Betroffenen. Und jeder Zustand, jedes Stadium bringt andere Fragen mit sich. Dementsprechend richtete sich der Patiententag sowohl an diejenigen, die ‚lediglich‘ einen Überblick bekommen wollten, als auch an jene, auf die die Bezeichnung „Experten in eigener Sache“ auch fachlich bereits in hohem Maße zutrifft. Detail und Überblick, aktuellste Forschungsergebnisse (’state of the art‘) und Grundlagen sind Seiten derselben Medaille und sämtlich notwendig. Auf dem Hautkrebs-Patiententag des HKND wurde beides im besten Sinne geboten.

Zu dem „Was ich für mich selber tun kann,“ wollte der Patiententag dabei keine Patentrezepte anbieten. Vielmehr stand der Patient als mündiger Mensch im Mittelpunkt, der – in einer so herausfordernden Situation, wie sie eine lebensbedrohliche Krankheit darstellt – für sich verantwortlich ist und gesund werden will; dies möglichst umfassend informiert und aktiv mit gestaltend.

Fragen der abschließenden Podiumsrunde

Podiusmdiskussion Hautkrebs-Patiententag

Vlnr: Prof. Dr. Eckhart Breitbart, Gudrun Bruns, Anne Wispler, Dr. Carsten Weishaupt, Katharina Kaminski, Lena Lammers

Das abschließende Podium mit den Referenten des Tages bot noch einmal ausführliche Gelegenheit, Fragen aus dem Publikum direkt zu beantworten. Stichworte waren z. B.

  • Misteltherapie, die laut Richtlinie bei Hautkrebs explizit nicht empfohlen wird;
  • der Gelehrtenstreit, ob Metastasen selbst metastasieren;
  • die Hemmungen, die Hausärzte offenbar hinsichtlich der Hautuntersuchungen im Genitalbereich haben;
  • und last but not least die Frage, wie die Selbsthilfe sich in Zukunft versteht? Durch die sozialen Medien ist die Reichweite und sind die Möglichkeiten offensichtlich größer geworden; doch auch Betroffene im Internet entwickeln das Bedürfnis, sich einmal direkt kennen zu lernen und ggf. gemeinsame Gruppen zu bilden. Selbsthilfe ist also auch in Zukunft nicht nur ‚Facebook‘.

Was die Zukunft bringt

Ein besonderer Dank geht an Claudia Meyer zu Tittingdorf, die den Patiententag zu einer rundum gelungenen Veranstaltung machte.

Einige Themen, die den bisherigen Rahmen gesprengt hätten, werden die Patiententage in Zukunft sicherlich beschäftigen: Was bedeuten die besseren Überlebensraten und die gewachsene Anzahl der Patienten für die medizinische Versorgung und für unser Gesundheitssystem generell? Das HKND, das aus dem Selbsthilfe- und Netzwerkgedanken entstanden ist, sieht sich hier auch als Teil einer gesellschaftlichen Debatte, die über individuelle Krankheitsfragen hinaus geht. Stichworte sind in diesem Zusammenhang die Organisation der medizinischen Forschung, die Zulassungsverfahren für neue Medikamente u.v.m. Wir sind bereits gespannt auf den nächsten Patiententag 2020 in Dresden (25.04.2020 – Save the Date!), zu dem das HKND Sie wieder gerne einladen wird.

Text: hwb, Fotos: Hautkrebs-Netzwerk Deutschland


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