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Interview mit Dr. Peter Mohr, Präsident des 31. Deutschen Hautkrebskongresses

Beim Deutschen Hautkrebskongress im September 2021 ging es um die Fortschritte bei der Vermeidung, Erkennung und Behandlung von Hautkrebs. Doch Tagungspräsident Dr. Mohr spricht im Interview z.B. auch über die Folgen der Pandemie für die Versorgung der Betroffenen, über Risikofaktoren und das Screening.

Dr. Peter Mohr

Tagungspräsident Dr. Peter Mohr, Buxtehude.

Tagungspräsident Dr. Peter Mohr ist Facharzt für Dermatologie, Venerologie, Medikamentöse Tumortherapie, Palliativmedizin, Chefarzt des Tumorzentrums der Elbe-Kliniken Stade-Buxtehude und Gründungsmitglied des Hautkrebs-Netzwerks Deutschland. Er gab das Interview anlässlich des Kongresses.

Der schwarze Hautkrebs, das Melanom, gilt als die fünfthäufigste Krebserkrankung überhaupt. Welche neuen Erkenntnisse gibt es auf dem Gebiet der Erkennung und Behandlung des Hautkrebses?

Ja, das Melanom ist die fünfthäufigste Krebserkrankung, alle Hautkrebsformen zusammen, wie etwa das Basalzellkarzinom, das Plattenepithelkarzinom die mit Abstand häufigste Krebserkrankung des Menschen sind. Bei der Erkennung von Hautkrebs werden zur Zeit die größten Fortschritte mit komplexen Kamerasystemen und der Anwendung von künstlicher Intelligenz gemacht. Diese neuen Systeme, die an 100.000 verschiedenen Hautveränderungen trainiert werden, sind in ihrer Diagnose inzwischen den meisten Dermatologen überlegen oder zumindest ebenbürtig. Sie werden in der Zukunft die Diagnose des Dermatologen nicht ersetzen, jedoch ein wichtiges zusätzliches Instrument darstellen. Die ersten dieser komplexen Diagnosesysteme sind bereits auf dem Markt, aber natürlich sehr kostenintensiv. Diese Leistungen werden derzeit nicht von den Krankenkassen übernommen.

Bei der Behandlung der verschiedenen Hautkrebsarten inklusive des Basalzellkarzinoms und des Merkelzellkarzinoms sind die größten Fortschritte bei der immunologischen Behandlung der fortgeschrittenen Erkrankung zu sehen. Jüngst wurde ein PD-1-Inhibitor ebenfalls für das metastasierte und inoperable Basalzellkarzinom zugelassen, das nicht auf einen Hedgehog-Inhibitor angesprochen hat. Die Langzeitergebnisse für die adjuvante Therapie des Melanoms, aber auch die Therapie des fortgeschrittenen Melanoms, sind sehr gut, so dass wir einen größeren Anteil der Patienten heilen oder in ein Langzeit-Überleben führen können.

Welche neuen Ergebnisse bringt die Grundlagenforschung?

Trotz aller Fortschritte gibt es noch immer viele Menschen, die an einem metastasierten Hautkrebs versterben, dazu werden bei der Grundlagenforschung in erster Linie die primären und sekundären Resistenzmechanismen erforscht. Auch auf diesem Gebiet gibt es einen weiteren Fortschritt. Kürzlich konnte in einer Phase-3-Studie gezeigt werden, dass die Kombination zweier abgestimmter Wirkstoffe, anti-PD-1 und anti-LAG-3, das progressionsfreie Überleben signifikant verlängert. Aber auch andere neue Substanzkombinationen sind in der klinischen Erprobung.

Welche Auswirkungen hat die Klima-Veränderung auf die Häufigkeit und Intensität von Hautkrebs?

Insgesamt gibt es dazu keine klaren epidemiologischen Forschungsergebnisse. Wir wissen, dass sich der Anstieg von Hautkrebs in der westlichen Welt vor allem durch das veränderte Verhalten gegenüber der UV-Strahlung in den letzten 50 Jahren sowie durch das Erreichen eines höheren Lebensalters erklärt. In den 80er und 90er Jahren hatten wir bereits eine verstärkte UV-Strahlung durch sogenannte Ozonlöcher in der nördlichen und südlichen Hemisphäre zu verzeichnen. Zu bestimmten Zeitpunkten war die UV-Strahlung um 20 bis 50 Prozent höher als noch vor 80 Jahren. Hinzu kommt das veränderte Reiseverhalten von hellhäutigen Menschen, die im Sommer in den schönen warmen Süden fahren und dort der UV-Strahlung mehr ausgesetzt sind. Wie sich dieser Trend fortsetzt, ist bis jetzt noch unklar. Es gibt ein deutlich divergentes Verhalten gegenüber der UV-Strahlung. Einige Bevölkerungsgruppen schützen sich sehr vor der Sonnenstrahlung, andere nicht.

Welche medizinischen Fachdisziplinen sind an der Erkennung und Behandlung beteiligt? Gibt es neue
Verfahren in der Behandlung?

Die Behandlung von Hautkrebs ist zu einer interdisziplinären Aufgabe geworden. Bei der Diagnostik von Hautkrebs sind im Rahmen des Hautkrebs-Screenings Hausärzte und Dermatologen beteiligt. Bei der weiteren Diagnostik und Behandlung arbeiten wir mit Radiologen, den dermatologischen Chirurgen und teilweise plastischen Chirurgen oder Hals-Nasen-Ohren-Ärzten zusammen. Und im Tumorboard der Hautkrebszentren werden interdisziplinär zusätzlich Strahlentherapeuten und Onkologen in die weitere Diagnose und Therapie einbezogen.

Technisch haben sich die radiologischen Behandlungsverfahren deutlich verfeinert. Hinzu kommen Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung, die inzwischen relativ rasch in Ansätze für neue Therapieverfahren umgewandelt werden. Und es besteht nahezu ein echter Wettlauf der verschiedenen neuen Kombinationstherapien, um gegebenenfalls ihre Wirksamkeit zu beweisen und eine Zulassung zu erreichen. Dazu kommen Lokalverfahren wie die Einspritzung von genetisch veränderten Viren oder eine Elektrochemotherapie für lokal metastasierte Hautkrebserkrankungen wie das maligne Melanom oder das Plattenepithelkarzinom.

Wie werden Vorsorgeuntersuchungen wie etwa das regelmäßige Hautscreening von den Patienten angenommen? Reichen die Angebote der Krankenkassen? Die Kassen zahlen ab dem 35. Lebensjahr alle zwei Jahre ein Hautscreening, ist dieser Zeitraum angemessen?

Bei den Vorsorgeuntersuchungen wie dem Hautkrebs-Screening haben wir durch die Corona-Pandemie einen deutlichen Einbruch erlitten. So sind im Frühjahr vergangenen Jahres teilweise bis zu 50 Prozent weniger Patienten zum Hautkrebsscreening gekommen. Auch in den Monaten danach bis zum Oktober 2020 haben wir nicht das Vorjahresniveau beim Hautkrebs-Screening erreicht. Zahlen aus den letzten Monaten liegen mir dazu noch nicht vor, aber sowohl bei den niedergelassenen Dermatologen als auch in der Klinik haben wir 2020 im Schnitt deutlich dickere Melanome gesehen als noch im Jahre 2019. Momentan müssen wir davon ausgehen, dass dadurch auch eine Verschlechterung der Situation insgesamt entstanden ist.

Ansonsten ist das von den Krankenkassen bezahlte Hautkrebs-Screening prinzipiell ausreichend, jedoch wird es nur von etwa 30 Prozent der Bevölkerung wahrgenommen. Hier müssten wir eine deutliche Steigerungsrate anstreben. Ein weiterer Punkt sind Risikogruppen mit einer erhöhten Hautkrebsinzidenz wie z.B. extrem sonnenempfindliche Menschen, aber auch die mit sehr vielen Muttermalen oder einem Melanom in der Familie. Für diese Bevölkerungsgruppe müssten wir eigentlich ein Risikogruppen-Screening entwickeln.

Wer ist besonders gefährdet? Wie sollte man sich verstärkt vor der Sonne schützen, um dem Hautkrebs vorzubeugen? Wie bekommt man trotzdem genügend Vitamin D? Und welche Rolle spielt die Ernährung?

Die effektivste Möglichkeit, einem Hautkrebs vorzubeugen, besteht immer noch in dem Schutz vor dem Hauptauslöser, nämlich der UV-Energie der Sonne. Insbesondere Kinder müssten deutlich stärker und besser vor der Sonne geschützt werden. Ein zweiter wichtiger Punkt ist der Schutz der im Freien arbeitenden Bevölkerung. Seitdem das Plattenepithelkarzinom oder aber auch die multiplen aktinischen Keratosen zu Berufserkrankungen geworden sind, sind Arbeitgeber und Berufsgenossenschaften in der Prävention erheblich gefordert. Eine solche Verhaltensänderung der im Freien arbeitenden Menschen lässt sich aber nicht von einem auf den anderen Tag bewirken. In erster Linie muss hier natürlich an den textilen Hautschutz gedacht werden, aber für die Körperregionen, die mit Kleidung nicht zu schützen sind, müssen Sonnenschutzmittel zur Verfügung gestellt und regelmäßig neu aufgetragen werden.

Ein sehr beachtetes Thema ist hierbei die Frage des Vitamin-D-Haushaltes. In der Regel reichen drei bis vier Besonnungen oder Belichtungen für je etwa 10 Minuten am Tag an Händen und im Gesicht aus. Es gibt jedoch Menschen, die damit eine verminderte Vitamin-D-Produktion haben, aber es ist relativ einfach, ein Defizit mit der Ernährung, wie beispielsweise mit Fisch, oder einer Vitamin-D-Substitution auszugleichen. (Konsentierte Empfehlung zu UV-Strahlung und Vitamin D ) Im Bereich des gesamten Komplexes um Ultraviolettes Licht hat sich in den letzten Jahren ein immer größer werdendes UV-Schutzbündnis gebildet, das vom Bundesamt für Strahlenschutz koordiniert wird. Von ihm gehen sehr wertvolle Leitlinien aus. Darüber hinaus gibt es eine Präventionsleitlinie, die ebenfalls interdisziplinär erarbeitet worden ist und sehr hilfreich erscheint.

Text: Pressemitteilung der ADO (leicht gekürzt)

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