Highlights und Eindrücke vom ESMO-Kongress 2025 in Berlin
Der ESMO-Kongress 2025 fand vom 17. bis 21. Oktober 2025 in Berlin statt mit dem Ziel, den Austausch über neueste Forschungsergebnisse, klinische Entwicklungen und Versorgungskonzepte rund um Krebs voranzutreiben. Wir waren dabei – unter 35.000 Besuchern!
Auf dem ESMO-Kongress 2025 nahmen wir Patientenvertreterinnen und -vertreter am sogenannten Patient Advocacy Track teil – einem eigenen Programmteil, der den Austausch zwischen Betroffenen, Fachleuten und Forschenden fördert. Dort bringen wir die Patientenperspektive in zu Themen wie Lebensqualität, Zugang zu Therapien und Beteiligung von Patientinnen und Patienten in der Forschung ein. Gleichzeitig vernetzen wir uns mit anderen deutschen und internationalen Patientengruppen.

Vom HKND: Martina Kiehl, Anne Wispler und Hans Bötel – und Benjamin Löffler vom Naevus-Netzwerk Deutschland. (C) HKND
Veranstalter ist die European Society for Medical Oncology (ESMO), eine führende onkologische Fachgesellschaft mit internationaler Ausrichtung, die ihr 50jähriges Bestehen feierte.
Immuntherapie früher beenden – und trotzdem wirksam: Die Safe-Stop-Studie
Ein aus Patientensicht wichtiger Vortrag kam von Dr. Astrid van der Veldt, Erasmus Medical Center, Rotterdam, die die Ergebnisse der Safe-Stop-Studie zum frühzeitigen Absetzen der Immuntherapie bei metastasierendem Melanom vorstellte. Bemerkenswert ist, dass über 80 % der Patient:innen eine dauerhafte Tumorrückbildung zeigten, trotz frühzeitigem Abbruch der Behandlung z.B. wegen Nebenwirkungen. Das patientenzentrierte Design der Studie resultierte aus einer engen Zusammenarbeit zwischen dem Erasmus–Team, dem Melanoma Patient Network Europe (MPNE), der niederländischen Melanoma Foundation und Bettina Ryll von MPNE, die bei der Erstellung des Studienprotokolls beriet.
IMA203: Neue Zelltherapie bei Aderhautmelanom
Dr. Sapna Patel (University of Colorado Cancer Center, USA) stellte Ergebnisse zur T-Zell-Therapie IMA203 vor, die auf das PRAME-Antigen von Melanomzellen abzielt. Bei 11 von 16 Patient:innen (67 %) schrumpften die Tumoren, das progressionsfreie Überleben lag bei 8,5 Monaten. Die Therapie wird auch bei kutanen Melanomen erprobt und gilt als vielversprechend – auch wenn größere Studien noch ausstehen.
Neoadjuvante Immuntherapie: Vor der OP ist besser
Drei große Studien bestätigten den Vorteil einer Immuntherapie vor der Operation („neoadjuvant“) bei Melanompatient:innen im Stadium III. Aktuelle Analysen aus der Phase-III-Studie NADINA und der Phase-II-Studie SWOG S1801 bestätigen den anhaltenden Nutzen der neoadjuvanten Immun-Checkpoint-Therapie bei Patienten mit resezierbarem Melanom im Stadium III oder IV nach 2 bzw. 3 Jahren Nachbeobachtung. Die Daten sind laut Prof. Teresa Amaral (ICANS, Straßburg, Frankreich) „besonders wichtig, da es in vielen Ländern noch einen gewissen Widerwillen und Hürden gibt, den neoadjuvanten Ansatz in diesem Umfeld zu genehmigen und zu übernehmen.“
Die Phase-III-Studie NADINA hat bereits gezeigt, dass neoadjuvantes Ipilimumab plus Nivolumab, gefolgt von einer Operation und einer ansprechenden adjuvanten Therapie, die 12-monatigen ereignisfreien Überlebensraten (EFS) im Vergleich zu einer Operation mit anschließendem adjuvantem Nivolumab erhöht (N Engl J Med. 2024; 391:1696–1708). Aktualisierte Ergebnisse (n = 423) zeigen 22 % höhere geschätzte 2-Jahres-EFS-Raten von 77,3 % im neoadjuvanten Arm gegenüber 55,7 % im adjuvanten Arm.
Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADCs): Alte Idee, neue Hoffnung
Nach vielen Jahren erlebt die Technologie der Antibody-Drug-Conjugates (ADCs) einen neuen Aufschwung. Diese Medikamente kombinieren zielgerichtete Antikörper mit hochwirksamen Wirkstoffen, um Krebszellen präzise zu bekämpfen. Obwohl ADCs bereits in Brust-, Lungen- und Gebärmutterhalskrebs eingesetzt werden, sind sie bei Melanomen noch schwer zugänglich. Laut Dr. Anthony Tolcher (USA) liegt hier aber großes Zukunftspotenzial.
Innovative Ansätze: Impfstoffe und Mikrobiom
Auch im Bereich der Immuntherapie-Kombinationen tut sich viel. Eine mRNA-basierte Krebsimpfung (BNT111) zeigte gemeinsam mit Cemiplimab vielversprechende Ergebnisse –
sogar bei Patient:innen, die bereits vorbehandelt waren. Doch bis solche Forschungsergebnisse in die reguläre Behandlung einfließen, sind noch viel weitere Schritte nötig.
In einer frühen Studie aus Kanada verbesserte ein Präbiotikum aus der Camu-Camu-Frucht die Wirksamkeit der Immuntherapie – ein spannender Ansatz, der der vieldiskutierten Bedeutung des Mikrobioms Rechnung trägt.
Ermutigende Ergebnisse gab es für das Medikament Daromun bei nicht-operablen Basalzell- und Plattenepithelkarzinomen, das direkt in die Tumoren gespritzt wird: 58 % bzw. 41 % der Patient:innen sprachen an, bei etwa der Hälfte der Basalzellkrebspatient:innen verschwanden die Tumoren vollständig – bei guter Verträglichkeit.
Krebsimpfstoff IO102-IO103: Wirksam bei speziell ausgewählten Patient:innen
Dr. Jessica Hassel (Heidelberg) präsentierte eine Phase-III-Studie mit dem
Krebsimpfstoff IO102-IO103 plus Pembrolizumab. Die Kombination verlängerte das progressionsfreie Überleben von 11 auf 19 Monate, war aber statistisch knapp nicht signifikant. Besonders interessant war aber, dass die spezielle Untergruppe der PD-L1-negativen Patient:innen deutlich profitierten – und das ohne zusätzliche Nebenwirkungen. Ein Hinweis darauf, dass biomarkerbasierte Therapien der Schlüssel zu individuelleren Behandlungsstrategien sind.
Ungleicher Zugang zu neuen Krebsmedikamenten
Eine spannende Sitzung auf dem diesjährigen ESMO-Kongress beleuchtete die Unterschiede beim Zugang zu neuen Krebsmedikamenten in Europa. Thomas Hofmarcher vom Schwedischen Institut für Gesundheitsökonomie zeigte, dass Entscheidungen über die Bezahlung von Krebstherapien nicht immer wirtschaftlich motiviert sind – und dass Kostenübernahme nicht automatisch Zugang zu Therapien bedeutet. Daten aus 27 EU-Ländern ergaben, dass der Einsatz neuartiger Krebsmedikamente 2023 stark schwankte: von nur 23 % in Lettland bis 88 % in Österreich. Auch in reichen Ländern wie den Niederlanden blieb die Nutzung überraschend niedrig.
Fazit
Der ESMO 2025 zeigte: Die Immuntherapie bleibt im Zentrum, doch der Trend geht klar in Richtung neoadjuvanter bzw. peri-operativer Behandlung, individualisierter und patientenfreundlicherer Ansätze – von gezielter Zelltherapie über mikrobiomgestützte Kombinationen bis hin zu Krebsimpfstoffen. Europa steht zugleich vor der Aufgabe, gerechten Zugang zu neuen Therapien für alle Patient:innen sicherzustellen – unabhängig vom Wohnort.