Ges-ch-ichtswerkstatt: Meine Auseinandersetzung mit der Krankheit
Im ersten Teil unserer Reihe hat Mareike ihre Gedanken zu Papier gebracht
Wie hat Mareike (59, an CTCL* erkrankt) ihre Krebserfahrung verarbeitet? Wir freuen uns, hier den ersten Teil unserer Reihe mit den Workshop-Ergebnissen zu veröffentlichen und danken allen für die Offenheit und das Vertrauen. Die Namen der Workshop-Teilnehmer*innen haben wir geändert.
Warum Schmetterlinge?
Zu elft saßen wir bei wunderschönem Wetter im lauschigen Ambiente der Hünenburg und „brüteten“ über der Aufgabenstellung „Was bedeutet es Patient zu sein?“ und dann weitergehend „Wie sieht die persönliche Landschaft meiner Erkrankung aus?“
Der Darstellung bei der Ges-ch-ichtswerkstatt waren keine kreativen Grenzen gesetzt. Ob Plakat, klassisch geschrieben, gemalt, geknetet, gebastelt oder getuscht. Alles war möglich. Obwohl ich sehr, sehr gerne bastele, war dies intuitiv hier gerade nicht meins. Ich wollte aufschreiben, jeden einzelnen Gedankengang nicht verlieren und alles, was in den letzten Jahren in mir Raum beansprucht hatte und noch hat, zu Papier bringen.
So wählte ich die großformatige Stellwand, behängt mit Packpapier und einen schlichten schwarzen Filzschreiber. Während des Aufschreibens merkte ich, dass es immer mehr und mehr an Emotionen wurde. Das Plakat wurde voller und voller und es waren durchweg keine positiven Emotionen und Gedankengänge. Einzig mein schwarzer Humor wäre vielleicht als positive Komponente des Umgangs mit der Erkrankung zu sehen. Das hat mich doch ziemlich erschreckt.
Vielleicht liegt es an der Art der Erkrankung*, die einen schwer zur Ruhe kommen und einen nicht abschließen lässt. Von „Chaos im Kopf“ bis „Müdigkeit in Körper und Seele“, von „Desinteresse des Arbeitgebers“ bis „mürbe sein“, die Liste war lang. Dennoch findet man im Schreiben oder hier im demonstrativen Aufschreiben auch die weitergehende Frage, wie kann ich damit meinen Frieden machen und wann? und mit was kann und muss ich diesen Zustand „füttern“, so dass er dauerhaft ist? Da kommt unweigerlich der Gedanke nach Resilienz und Ressourcen auf. Welche sind meine? Wo sind sie? Sind sie verschüttet worden und wo finde ich sie? (Dies war auch gleich die nächste Frage in der Ge-s-ichtswerkstatt!)
So gesellten sich auf meinem Plakat zu den vielen Schlagworten eine ganze Reihe von bunten Schmetterlingen. Es tat gut zu sehen und zu spüren, dass Gedanken und Emotionen nicht, wie anfangs geglaubt, nur im Negativen verhaftet sind. Auf meinem Plakat waren dies die positiven Anteile, denn Resilienz kann man lernen und Ressourcen kann man finden und aktivieren. Das beruhigt(e) mich ungemein!
Heute, hier und jetzt beim Schreiben, frage ich mich, warum habe ich eigentlich ausgerechnet die Schmetterlinge gewählt? Denn bewusst habe ich das nicht gemacht. Ich hätte auch Blumen, Gräser, einen Regenbogen… wählen können.
Wie soll es auch anders sein, es passte: Der Schmetterling steht für Leichtigkeit, Freude, für die Überwindung aller Schranken. Er ist bei aller Energie zart und verletzlich und zaubert dennoch den Menschen, die ihn erblicken ein Lächeln ins Gesicht. So sind wir wohl alle aus der Ge-s-ichtswerkstatt gegangen, mit einem guten Gefühl und einem Lächeln.
Dank an Loes, Solveig und Henriette und allen hinter den Kulissen, die diesen faszinierenden, schönen und produktiven Workshop ermöglicht haben. Danke!
* Zum Hintergrund: CTCL (Das kutane T-Zell-Lymphom) ist eine bis heute nicht heilbare Krebserkrankung, die sich hauptsächlich auf der Haut zeigt. Die Therapien wirken teilweise nur wenige Monate und meist auch nicht vollständig. Bei 10-30% der Betroffenen schreitet die Erkrankung weiter fort, und man kann bis heute nicht sagen, bei wem dies der Fall sein wird. Zudem hat CTCL die unschöne Eigenschaft, dass verschiedene Stadien gleichzeitig auf der Haut vorkommen können, die im Alltag belasten.