Bericht vom Deutschen Hautkrebskongress in Stuttgart

Am 15.09.2018 ging nach drei Tagen voller Fachvorträge, mit einem sehr gut besuchten Patientenforum und vielen lebhaften Diskussionen der 28. Deutsche Hautkrebskongress der ADO zu Ende. Auch Selbsthilfe-Vertreterinnen und -Vertreter vom Hautkrebs-Netzwerk waren in Stuttgart, um Neues aus der Forschung und Praxis zu erfahren und sich mit den Experten auszutauschen.
Wir Aktiven vom Hautkrebs-Netzwerk Deutschland e.V. machten wieder mit einem Infostand, aber auch mit Vorträgen und mit Diskussionsbeiträgen auf uns aufmerksam. Es lohnt sich unbedingt an derartigen Fachveranstaltungen teilzunehmen, denn die spezielle Sicht und Erfahrung der Hautkrebs-Patienten wird von den medizinischen Fachexperten immer stärker beachtet und einbezogen.
Sehr gut besuchtes Patientenforum
Spätestens beim Patientenforum am Samstag, zu dem rund 160 Interessierte aus Stuttgart und Umgebung gekommen waren, wurde deutlich, dass der Blickwinkel der Patienten wichtig ist. Aufgrund der eigenen Erfahrung und der erworbenen Kompetenz im Austausch in Patientenforen oder Selbsthilfegruppen kommen wir manchmal zu anderen Schlüssen als die Mediziner. Katharina Kaminski und Astrid Doppler vom Onlineforum Melanom Info Deutschland stellten ihre engagierte ehrenamtliche Arbeit vor und punkteten in der Diskussionsrunde mit ihrem reichen Erfahrungsschatz.

Was aus Sicht von Patienten wichtig ist und in der Versorgung geändert werden sollte. Grafik: Melanom Info Deutschland
Mit Herpes gegen Hautkrebs: T-VEC
Heller Hautkrebs – neue Möglichkeiten
Das Basalzellkarzinom ist der häufigste nicht gutartige Tumor des Menschen. Prof. Axel Hauschild aus Kiel stellte kurz die neue SK2-Leitlinie Basalzellkarzinom der Haut vor und ging auf einige neuere Therapiemöglichkeiten des fortgeschrittenen Basalzellkarzinoms ein, wie sog. Hedgehog-Inhibitoren und Immun-Checkpoint-Inhibitoren und Elektro-Chemotherapie. Weil diese Krebsform oft in höherem Alter auftritt, ist bei der Behandlung Rücksicht die auf die sog. “Ko-Morbidität”, also das Verhältnis zu anderen gesundheitlichen Einschränkungen wichtig.
J.C. Becker (Heidelberg) stellte zum Merkelzellkarzinom fest, dass die Untersuchung der Wächterlymphknoten bei diesem seltenen aber gefährlichen Hautkrebs zur Prognose sehr wichtig sei. Eine Chemotherapie sei nur in Ausnahmen zu empfehlen. Eine neoadjuvante Immuntherapie habe dagegen sehr gute Erfolge gezeigt. Die Autoren einer Studie untersuchten, ob der Antikörper Ipilimumab das krankheitsfreie Überleben für Merkelzell-Patienten verbessern kann. Das ernüchternde Ergebnis: Diese adjuvante Therapie brachte den Patienten keine Vorteile, aber deutliche Nebenwirkungen. Die Studie wurde daher abgebrochen.
Neue adjuvante Optionen der Melanombehandlung
Nach Entfernung eines Hochrisiko-Melanoms wurde Patienten bisher eine Behandlung mit Interferon angeboten. Beim Patientenforum wurde auch kritisiert, dass das auch immer noch vorkommt, nicht nur bei ulzerierten Melanomen, wo vermutet wird, dass Interferon noch eine Berechtigung habe.
Doch mittlerweile gibt es neue Optionen, um die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls zu verringern. Aktuelle Studien zeigen, dass im Vergleich zu Placebo eine Absenkung des Wiedererkrankungsrisikos von 40 bis 50 % erreicht werden kann. Weil die Ergebnisse so gut sind, übernehmen die Krankenkassen die Kosten für die Behandlung schon jetzt. Das erste Medikament zur adjuvanten Immuntherapie (Nivolumab) wurde Ende Juli zugelassen.
Stark im Kommen: Digitale Diagnostik
Künstliche Intelligenz kann heute schon bei der Diagnose von schwarzem Hautkrebs gute Dienste leisten. Dr. Ashfaq Marghoob vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York berichtete über neue diagnostische Methoden wie z.B. den Einsatz von künstlicher Intelligenz bei der Beurteilung von Muttermalen. Selbst geschulte und erfahrene Dermatologen mit Spezialisierung in Dermatolonkologie zogen in mehreren Studien den Kürzeren, wenn es darum ging, gefährliche von harmlosen Hautveränderungen zu unterscheiden. Ganzkörperscanner können mit großer Präzision die gesamte Hautoberfläche abbilden und objektiv mit früheren Scans vergleichen. Am Ende des Tages braucht es jedoch erfahrene Dermatologen, um die Ergebnisse solcher Diagnosegeräte und Methoden richtig einzuordnen, d.h. der Mensch ist weiter nötig.
Das menschliche Immunsystem und das Mikrobiom
Nicht erst seit dem Bestseller “Darm mit Charme” ist bekannt, dass die Darmflora eine wichtige Rolle für das Immunsystem spielt. Prof. Laurence Zitvogel, Immunologin aus Paris, hielt eine der mit Spannung erwarteten Keynotes des Kongresses über die Rolle des menschlichen Mikrobioms im Verdauungstrakt. Die bisherigen Erfahrungen mit moderner Immuntherapie haben gezeigt, dass diese leider bei manchen Patienten nicht so gut wirkt wie bei anderen.
Eine genaue Untersuchung der Zusammensetzung der Darmflora zeigt, dass das Vorkommen oder Fehlen bestimmter Bakterienstämme im Stuhl eng damit zusammen hängen könnte. Immunologen suchen also nach Wegen, über die Beeinflussung der Darmflora auch den Erfolg von Immuntherapien zu erhöhen. Umgekehrt verschlechtert anscheinend die Einnahme von Antibiotika die Überlebensrate von Empfängern einer PD1-Therapie.
Wir fragten Frau Prof. Zitvogel im Anschluss an den Vortrag, ob die Untersuchung der individuellen Darmflora genutzt werden könnte, um entweder bestimmte Patienten von der ja bekanntlich sehr teuren Immuntherapie auszuschließen, oder ob man bald per Stuhltransplantation (Darmbakterien mit einer gewünschten Zusammensetzung werden z.B. bei entzündlichen Darmerkrankungen auf den Patienten übertragen, um dessen Darmflora günstig zu beeinflussen ) das Immunsystem der Betroffenen umprogrammieren könnte. Sie war optimistisch, dass Letzteres, also die gezielte Umprogrammierung der Darmflora, jetzt schon in Studien getestet, bald zu einer optimierten Immuntherapie führen kann.
Individualisierte Impfstrategien
Prof. Hans-Georg Rammensee aus Tübingen stellte seine Untersuchungen zur individualisierten Immuntherapie mit Anti-Krebs-Impfungen vor. Bei dem neuen Therapieansatz handelt es sich um eine Impfung, die für jeden Patienten maßgeschneidert wird und das Immunsystem aktivieren soll. Der Impfstoff besteht aus besonderen Eiweißen auf dem individuellen Tumor des Patienten, den sogenannten Peptiden, die in einem sehr aufwendigen Verfahren in einem Speziallabor hergestellt werden. Sie sollen die Abwehrzellen, die sogenannten T-Zellen des Patienten aktivieren, damit diese die Krebszellen zerstören.
Die Genehmigungsverfahren zur Errichtung des Labors, zur Herstellung dieser Impfstoffe und zur Durchführung von Studien ist leider sehr zeitaufwendig und hat mit dazu geführt, dass es hier noch keine großen Durchbrüche in größeren Studien gibt, wie Herr Prof. Rammensee uns auf Anfrage erklärte.